Enver des Aiguilles
Nach einem recht erfolglosen Chamonixbesuch 2009, wollte ich es 2010 noch einmal wissen. Mit Volker hatte ich einen sehr erfahrenen, verlässlichen und motiverten Partner… Der Wettergott meinte es offensichtlich sehr gut mit uns. So trafen wir uns in Zürich, von wo aus wir auf den Furkapass in der Zentralschweiz starteten.
Furkapass – unser erstes Ziel hier ist das „Gross Bielenhorn“ (Mitte)
Hier konnte man ohne auf eine Hütte zu gehen ein paar tolle Touren machen. Als Akklimatisation schlug er eine unbekannte Tour von den Remybrüdern auf das Groß Bielenhorn vor. Ich hatte zwar Bedenken: Auf über 3000m Seehöhe akklimatisiere ich mich normalerweise nicht, sondern ein Stück weit drunter, und die Remy Brüder waren mir auch bekannt.
die perfekte Verschneidung in der zweiten Länge der „Fandango“
Schließlich sollen ihre Touren immer recht spannend gesichert sein. Egal – wir versuchten unser Glück. Was herauskam war eine Perle: super Fels, tolle Kletterei die zum Großteil selber abgesichert werden muss, und somit ein toller Einstand. Für den nächsten Tag waren Gewitter ab dem späten Vormittag gemeldet. Somit musste es etwas kürzeres werden. Wir entschlossen uns für eine kurze Tour im Sektor „Heavy Metal“.
perfekte Felsqualität am Furkapass
Durch ein schlechtes Topo gerieten wir allerdings in eine andere Tour, die zwar super Kletterei in tollem Fels bot, aber in der letzten Seillänge mit einem strengen, senkrechten 25m Riss wartete, der auch als solcher geklettert werden musste. Irgendwie wurschtelte ich mich zwar diese Länge (ca. 8 / 8+) hoch, musste aber feststellen, dass mir diese Klettertechnik noch komplett in meinem Repertoir fehlte.
ein 8+ Hardcore-Riss – hat mich ganz schön Nerven gekostet
Dank Volkers Motivation fuhren wir an diesem Tag dann trotz nicht optimalen Wetterberichts Richtung Chamonix. Einer meiner zwei großen Wunschziele für diesen Urlaub war es, ein paar Touren auf der mittlerweile unter Kletterern gut bekannten Enver Hütte zu unternehmen.
Zustieg zur Enver Hütte – hier gehts runter auf das Mer de Glace
Am ersten Tag checkten wir das Wetter, welches dann wieder besser als erhofft war. Somit packten wir unsere Sachen und machten uns auf, um den Hüttenzustieg über das Mer de Glace zu absolvieren. Auf der Hütte lernten wir dann ein Schweizer Pärchen – Thomas und Yvonne kennen. Die Terasse der Hütte bot einen unvergesslichen Ausblick.
Spaltenzone am „Mer de Glace“
Auf dieser Hütte trifft man nur Kletterer, da es hier nichts anderes Interessantes zu finden gibt. So wurde auf der Terasse die Sonne und der Ausblick genossen, in die Wände geschaut, die Neuankömmlinge begutachtet und abgechillt. Das Geniale hier ist: Man hat zwar einen langen und anstrengenden Hüttenzustieg (ca. 2,5h), dafür hat man dann die Wände direkt hinter der Hütte stehen.
der Rochefort-Grat von der Enver Hütte aus gesehen (klick drauf für Vergrößerung)
Die Zustiegsdauer bewegt sich in der Regel zwischen 10min und einer Stunde (mit wenig Höhenmetern). Und dann sind alle Touren ab in der Früh sofort in der Sonne. Herz, was willst du mehr? Unsere Einstandstour sollte an der Tour Rouge stattfinden. Am Einstieg mussten wir dann aber erkennen, dass der Bergschrund schon zu groß und für uns unüberwindbar war.
Tour Rouge – unser erstes Ziel in den Enver des Aiguilles
Wir disponierten kurzfristig um, und stiegen über die links daneben liegende Tour von Michel Piola ein. Hier stand in der ersten Länge 6c mit ?. Na gut – bewaffnet mit 2 Sätzen Friends raufte ich mich diese cleane 50m Risslänge hoch. Ok – die Schwierigkeiten lagen wohl eher im 7a / 7a+ Bereich, aber mit Friendunterstützung kam ich nach einer Ewigkeit am Stand an.
Volker in einer Rissverschneidung der „Alchemie“
Danach querten wir wieder in die richtige Tour namens Alchemie, und kletterten diese fertig. Hier bekam ich einen ersten Eindruck der Kletterei: Die Stände sind alle gebohrt, in den Platten stecken Bohrhaken, aber die Risse und Verschneidungen sind dafür immer komplett clean und müssen selbst abgesichert werden.
1A Felsqualität – und fast alles zum selbst absichern
So eine Kletterei macht wirklich Spaß, wennauch ich die richtigen Techniken erst erlernen muss. Am zweiten Tag stiegen wir dann früh in die Aiguille de Roc Südwand ein. Die Tour namens „Children of the moon“ führte uns die erste Hälfte der Wand hoch. Sie traf nicht ganz meinen Geschmack – dafür war dann der obere Wandteil umso schöner. Hier stiegen wir über die „Children of the moon integral“ aus.
auch in der „Children of the moon integral“ gibts nix zu meckern – pipifeine Kletterei!
Ein Traum in Fels: perfekte Risse, Verschneidungen und ein paar Platteneinlagen sorgen hier für Abwechslung. Danach seilten wir in 2h die 650m wieder ab. Meine Finger waren den agressiven Granit offenbar nicht gewohnt, wodurch ich mir an fast allen Fingern die Nagelbetten entzündete.
wahrscheinlich eine der genialsten Längen in Chamonix!!!
Beim Klettern spürte ich nichts, aber am Abend schmerzten alle meine Finger derart, dass ich nichts mehr richtig angreifen konnte. Aber egal: klettern konnte ich ja 🙂 Am dritten Tag war das Wetter immer noch gut – also gings wieder rauf: dieses mal sollte es etwas gemütlicher ablaufen, da wir am Vortag doch eine lange Tour unternommen hatten.
Tiefblick – jetzt müssen wir „nur“ noch 650m über die Tour abseilen
Die Wahl fiel auf die „Amazonia“ mit Direkteinstieg, die auf den 1st Pointes des Nantillons führt. Am Einstieg angekommen, sahen wir dass der Bergschrund ziemlich weit offen, aber nicht unüberbrückbar war. Die Einstiegslänge war lt. Topo (nicht von Michel Piola!) eine 6a. Die perfekte Rissverschneidung schaute auch wirklich verlockend aus.
Volker in der ersten „Psycho“ Seillänge des Direkteinstieges der „Amazonia“
Volker äußerte zwar aufgrund des groß wirkenden Risses seine Bedenken, aber ich wusste es besser: Der 3er Friend wird schon passen. Und so schwer schauts dann auch nicht aus. Tja… dann kam, was kommen musste: Ich zog die Kletterschuhe an, stieg über den gerade für mich überbrückbaren Bergschrund (dann mit vom Schnee nassen Kletterschuhsohlen) drüber, und stand dann mit einem Onewayticket in der Verschneidung.
die Amazonia ist eine TRAUMTOUR!
Die ersten paar Meter stieg ich dann vorsichtig mittel anstrengender Piaztechnik hoch, um dann zu merken, dass der Riss wirklich viel zu breit für den einen 3er Friend war, den ich dabei hatte. Bohrhaken gibts natürlich keinen in den Chamonixrissen. Somit blieb mir nur der Weg nach oben. Die Kletterei war wesentlich anspruchsvoller und anstrengender als vermutet.
bis fast zum Schluss hat man hier perfekte Kletterei!
Zurück konnte ich natürlich auch nicht – und ein Sprung aus 10m Höhe in den Schnee… naja – mit viel Glück würde der nicht im Bergschrund enden. Irgendwie konnte ich dann einen komplett offenen 3er Friend platzieren, der mehr mentale als funktionelle Sicherung darstellte. Ich stieg weiter. Weiter oben gabs dann dasselbe Spiel mit einem 2er Friend.
super Aussicht zur „Aiguille Verte“
Nach 25m wurde es endlich leichter und nach 35m konnte ich die erste richtige Sicherung setzen. Dann gings über einen engen Riss weiter. Nach 50m stand ich dann endlich am Stand nach dieser nicht enden wollenden Seillänge – nassgeschwitzt vom Angstschweiss, leerem Kopf und leerem Gurt. Ich schwor mir so einen Scheiss nie wieder zu machen!
unser letztes Ziel hier: Point 3038 de Trelaporte – California Dream 7a 500m
Volker kam am Stand an und meinte: Wenn du so was öfter machst, bekommst du auch bald dein Gedenkschild. Das war mir dann auch klar. Er zeichnete das Topo dieser Seillänge, und bewertete die ersten 25m mit 7+… Zur richtigen Absicherung würde man hier 2Stk 4er und 2Stk 3er B.D. Friends benötigen, oder man steigt über den gebohrten, aber meist nassen Originaleinstieg (Platte) ein.
Morgendlicher Zustieg über den Gletscher
Was danach kam war grandios: Abwechslungsreiche, wunderschöne Kletterei in perfektem Fels an einem wunderschönen Berg. Ein zu Fels gewordener Traum! Danach hatten wir noch einen Tag schönes Wetter, bevor es gewittrig werden sollte. Unsere Tourenwahl fiel auf die „California Dream“. Beim Einstieg angekommen gabs dann wieder Ernüchterung: Der Bergschrund war an dieser Stelle nicht passierbar.
typische Chamonix Kletterei: Rissverschneidungen zum selbst – absichern
Wir stiegen deshalb um einiges weiter rechts ein und konnten dann unschwer in die Tour queren. Die Tour war zweigeteilt: der untere, kürzere Teil war nicht der Californische Traum, den der Name verspricht – halt eher durchschnittlich. Wir merkten schon die letzten anstrengenden Tage: körperlich und mental.
50m senkrechte, cleane Rissverschneidung – California Dream!!!
Nach dem Band gings Schlag auf Schlag: Risse, Risse und noch einmal Risse. Diese waren sehr steil, anspruchsvoll zu klettern und komplett selbst abzusichern. Ich hatte einen ziemlichen mentalen Hänger – so wie Volker – und wollte schon abseilen.
steile und ausgesetzte Kletterei in diesem kalifornischen Traum
Er wollte jedoch nur noch die nächste Seillänge klettern… und danach wieder nur die nächste usw. Nach 2-3 Seillängen hatte ich mich mental wieder etwas erholt und übernahm Volkers verhasste Plattenlängen, welche sich als wirklich schön zu klettern herausstellten. Wieder gut gepuscht zogen wir die Tour dann bis zum Schluss durch. Glücklich und zufrieden über diesen wunderschönen Tag in dieser tollen Tour machten wir uns ans abseilen.
die letzte 6c+ Platte wird geknackt
Bei einer 500m Tour dauert das schon etwas. Wieder am Gletscher machten wir uns sofort an den Abstieg zur Zahnradbahn. Um Punkt 18:00 Uhr saßen wir dann in selbiger mit Fahrtrichtung Chamonix. Das genialste war dann aber die langerhoffte Dusche, der überdurchschnittlich fette Burger und das große Bier, welches wir uns verdient haben. Ich war sehr zufrieden.
geschafft! Volker und ich nach der „California Dream“ – eine WAHNSINNS TOUR!
Schließlich hatte ich mir einen Wunschtraum erfüllen, und einige tolle Touren in den Enver des Aiguilles klettern können. Ausgeschlafen gings am nächsten Tag dann bei gewittrigem Wetter ins Bergführerbüro, wo immer der aktuelle Wetterbericht aufgeschlagen ist. Unglaublich – die folgenden 3 Tage versprachen perfektes Wetter bei 100% Sonnenschein. Wir waren akklimatisiert, wieder etwas ausgeruht und hatten natürlich auch schon Pläne im Hinterkopf. Das ist dann aber eine andere Geschichte…
Fotos Fandango
Fotos Furka Crack
Fotos Alchemie
Fotos Children of the moon
Fotos Amazonia Direkt
Fotos California Dream
2 Kommentare
Flo · 17. August 2010 um 14:14
super lässige Touren, … und Glück gehabt hätte auch anders ausgehen können. Aber in Summe muss jeder aus seinen Fehlern lerne. Hin und wieder ist es einfach knapp und ein jeder guter Alpinist hat seine Geschichten, hätte noch nie jemand ohne getroffen 😉
lg flo
peter · 17. August 2010 um 20:38
jo do hosch recht… man sollt halt draus lernen 🙂