Westliche Zinne – Cassin
Die erste Tour durch die Nordwand der Westlichen Zinne war heißumkämpft und galt lange als das letzte Problem in den Alpen (wie so viele andere Wände auch)… 27 Seilschaften hat sie zurückgewiesen, bevor ihr Riccardo Cassin und Vittorio Ratti im Sommer 1935 an den Leib rückten. Große Bergsteiger wie Comici, Dimai, Carlesso oder Demetz scheiterten bereits an ihr. Damals waren solche Projekte heiss umkämpft. Die bayrische Seilschaft Sepp Meindl und Hans Hintermeier „bewachten“ die Wand, und hatten schon erste Erkundungsvorstöße unternommen.
Die Cassin an der Westlichen Zinne mit dem impossanten Quergang
Im Nebel schlichen sich die Italiener an den Deutschen vorbei und stiegen in die Wand ein. Nach hartem, dreitägigen Kampf „besiegten“ sie die schöne Nordwand der Westlichen Zinne und die Deutschen Konkurrenten empfingen sie am Gipfel mit warmen Tee (und wiederholten die Tour danach als erste). Ein weiteres Kapitel fügte 2002 der starke Innsbrucker Kletterer Much Mayr hinzu, indem er solo onsight durch diesen Klassiker stieg. Dabei verwendete er ein minimales Sicherheitsbackup von 12m Halbseil (welches er nicht benutzte) und hängte ab und zu eine Bandschlinge in den einen oder andern Zwischenhaken (aus den 30igern) ein, ohne sie zu belasten. Eine wirklich unglaubliche Leistung! 2010 kletterten Alfred und Dominik – zwei Wiener Freunde – die Cassin, und berichteten von extrem schlechten Haken und sehr kalten Temperaturen.
schon einiges los… trotz des großen Vorsprunges stehen wir nach einer Stunde bereits im Stau
Mit Jakob hatte ich schon länger diese Tour ins Visier genommen. Anfang Juli hatte es sehr warme Temperaturen (bis 35°C im Tal) und sehr stabiles Wetter – perfekte Bedingungen also für eine Nordwand. Gesagt, getan: um 07:00 Uhr fuhren wir gemütlich in Lienz los. Somit wunderte es uns nicht, dass wir die letzte Seislchaft an diesem Tag waren, die diese Tour am Programm hatten. Als wir kurz vorm Einstieg waren, bemerkte Jakob, dass er seinen Helm im Auto vergessen hatte.
in der „guten Morgen Länge“, die immer unabhängig vom Schwierigkeitsgrad 8- ist 😀
I hab mir gedacht: Stress haben wir eh keinen – dann laufen wir wenigstens nit auf die vorderen Seilschaften auf. 40 Minuten später stand Jakob fix und fertig mit seinem Helm wieder beim Einstieg. Die ersten 200Hm bis zur Querung waren nicht allzu schwer, aber dennoch alles andere als ein Spaziergang. Nach diesen „Zustiegslängen“ standen wir bereits im Stau. Komisch… wir sind sicher 2,5h nach der Seilschaft vor uns eingestiegen. Vor diesem italienischen Duett bremste uns noch eine italienische Dreierseilschaft aus. Nach einer Stunde kompletten Stillstandes ging endlich was weiter. Die Seilschaft vor uns freute sich über ein „Onsight“ der ersten Schlüssellänge (mit UIAA 8 bewertet lt. Zinnenführer). Jakob stieg diese erste Schlüssellänge vor und meinte: „Gar nit so schwer.“
Jakob in der ersten Schlüssellänge, die leichter war als gedacht
Ich dachte mir dasselbe nach dieser Länge. Sie fühlte sich an wie ein 7ener, aber nicht schwerer. Danach hieß es wieder warten. Die Seilschaft vor uns murkste sich irgendwie über die zweite Schlüssellänge.
ich an derselben Stelle – da pfeifts schon runter 🙂
Diesmal war kein Onsightjubel zu melden… komisch. Als ich in diese Länge einstieg und sah, wie sich der Nachsteiger raufwerkte, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Bis dahin hatte ich nicht viel von der „Fitness“ unserer italienischen Ausbremser mitbekommen, aber der Nachsteiger konnte offensichtlich nicht wirklich klettern.
genau wie im Straßenverkehr – hinter den Italienern geht nix weiter 😛
Sogar beim A0 ziehen hatte er starke Probleme. Die Dreierseilschaft davor war nun nicht mehr der Grund, warum nichts weiterging. Sie waren einfach den Schwierigkeiten nicht gewachsen. Diese zweite Schlüssellänge selbst war schon eher eine 8er Länge.
ab gehts in die Schlüssellänge – mir gelang sie im Onsight
Jakob in der kleingriffigen Schlüsselpassage
Gleich vom Stand weg gabs die Crux. Durch das lange Warten, waren meine Finger recht kalt – aber dennoch ist mir ein Onsight gelungen. Jakob stieg zügig nach (so wies sein soll!) – und schon wieder standen wir an.
zwei der fünf Übeltäter 😛 es geht einfach nix weiter…
Die darauffolgende berühmte Querungslänge war zwar nicht schwer und auch nicht schlecht abgesichert, aber trotzdem kamen die Italiener nicht wirklich weiter.
gleich ist die Schlüssellänge geschafft
starke Jungs in der „Pressknödel“ 7c
Jakob startete gleich hinter dem italienischen Nachsteiger und kletterte langsam hinter ihm her. Gott sei Dank war der Standplatz 3m unterhalb des Quergangs. Sie machten hier stand und Jakob querte einfach über ihnen drüber und hängte die nächste Länge dran.
der berühmte Quergang ist gar nicht so schwer – aber die Italiener sind einfach fertig mit den Kräften
Ich kletterte so schnell wie möglich nach, und somit hatten wir die erste Seilschaft überholt. Über 3,5h für 3 Seillängen… und davon waren nur 5m richtig schwer… genau darüber nachdenken darf man nicht… egal – weiter gings. Den Cassinausstieg kannte ich von unserer Vorjahresbegehung der Schweizerführe.
impossant und super ausgesetzt – ein sehr lohnender Klassiker – trotz der langsamen Italiener
Somit wusste ich über Linienführung, Schwierigkeit und Absicherung recht gut bescheid. Diesen Trumpf spielten wir gut aus: Ich „rannte“ gleich 50m so schnell wie möglich rauf und überholte die Dreierseilschaft. Als Jakob bei mir ankam war der altersschwache Vorsteiger des Trios am Stand angekommen, und sagte nur noch zwei Sätze: „You are Spiderman“ – und – „I am finished…“ Die Krönung waren dann noch die anderen zwei „Helden“, als sie uns recht unfreundlich ansprachen: „You know, this route is very crowdet!“ So als ob wir die Bösen waren, weil sie nicht weiterkamen. Naja – wir quatschten nicht lang rum, und gingen gleich weiter. Da ich noch in besserer Verfassung als Jakob war und die Linie kannte, übernahm ich wieder die Führung und kletterte sehr zügig die nächste 7- Länge rauf.
die zweite von drei Seilschaften, die wir überholen – Jakob hier in einer anspruchsvollen 7-
Jakob kam schnell nach und führte gleich 50m weiter. Der Vorsteiger der Italiener machten in diesem Zeitraum sage und schreibe 5m Strecke… Nachdem Jacky und ich eine kurze Essenspause machten, gabs nur noch eine Strategie: Seil ausgehn, Stand machen, nachsichern – und dasselbe wieder von vorne. 5 Längen vor dem Ausstieg überholten wir ganz unkonventionell die dritte Seilschaft. Als wir am Ringband ausstiegen, hatten sie immer noch 4 Seillängen vor sich… einfach arg!
geschafft – eine sehr schöne und eindrucksvolle Tour liegt hinter uns
Fazit: Die Cassin ist ein wirkich toller Zinnenklassiker und der Fels ist mit Ausnahme der ersten Zustiegslängen auch wirklich gut! Nach der Querung geht der gelbe, teils splittrig aussehende Zinnenfels in schwarzen, bombenfesten Edelfels über. Dafür lässt die Absicherung nach, und es ist etwas mehr Eigeninitiative gefragt. Der Quergang ist sehr ausgesetzt und beeindruckend! Was für mich wirklich erschreckend war, ist mit ansehen zu müssen, dass sich Leute in diese Tour wagen, die ihr absolut nicht gewachsen sind – kein Scheiss – sowas habe ich noch nie gesehen! Da haben einige Leute höchstwarscheinlich das Tageslicht bis 22:00 Uhr voll ausgenützt… Ich bin mir sicher, dass einige nicht mal 5c im Klettergarten vorsteigen können. Einfach erschreckend! Nichtsdestotrotz wars ein schöner Tag in den Zinnen, und die Warterei hat sich ausgezahlt. Die Behakung war auch nicht so schrecklich, wie von meinen Wiener Freunden prophezeit. Die Zinnen waren wie immer sehr spektakulär, und wir werden sicher wieder kommen!
5 Kommentare
Markus · 28. Juli 2011 um 22:03
scheint jo recht spaßig gwesn zu sein 😉
sehr eindrucksvoll.
Gerald · 29. Juli 2011 um 9:20
GEIL
Tinkhauser Manuel · 15. August 2011 um 13:23
Hoi! Bin der Manuel von der Gelben Mauer im Juni 2010 (mit Tobi) und der Cassin erst kürzlich.Lust am Donnerstag oder Freitag a Tour zi mochn?? z.B. ISO 2000??
Grüsse Manuel – Südtirol
peter · 15. August 2011 um 14:02
Hey Manuel,
Sorry, dass i mi ersch jetzt meld. Oba i hab vorher dei Nachricht nit greg. I schreib da a e-mail mit meiner Telefonnummer. Beim nächsten mal auf jeden Fall!!! Wenns Wetter passt, und du jemand suachsch – i bin dabei 🙂
lg Peter
FLO · 6. September 2011 um 15:53
Hi Peter,
sorry aber hatte echt viel Streß. Coole Tour. In der Zwischenzeit bin ich´s auch schon geklettert. Wir hatten die Wand für uns alleine und in Summe echt gute Verhältnisse. Hat echt Spaß gemacht. Die Querung habe ich auch, wie Hr. Alfred, ein wenig zu tief erwischt und zwei Längen zusammengehängt. War spannend. Haben dann noch den Gipfel mitgemacht um eine Große Tour mit einem Großen Gipfel abzuschließen. Hat voll gepasst. Danke noch mal für deine Tipp´s und Gratulation zum On Sight !
Lg Flo 😎